Flensburg ist eine laute Stadt. In den Straßenschluchten wird der Verkehrslärm von den Fassaden reflektiert. Auf dem Kopfsteinpflaster prasseln schon die Reifen von nur einem Fahrzeug aufdringlich. – Museen sind stille Orte, – außer wenn eine große Klangkunst-Gruppenausstellung gezeigt wird.
Flensburg ist eine wasserreiche Stadt, so dass man im öffentlichen Raum viele Brunnen entdeckt. Manche prägen das Stadtbild, während andere eher versteckt liegen und manche sogar kurios wirken. In einigen Höfen wird das aus dem Boden, aus einem Abhang oder einer Wand dringende Wasser durch einfache Rohre oder Schläuche nur abgeleitet. – Der Kaufmann Peter Rivesell (1756–1842) würdigt die Flensburger Quellen in einer ausführlichen Abhandlung.*
In ausgedehnten Streifzügen durch Flensburgs Höfe und Hinterhöfe nehme ich viele Fließgeräusche von Brunnen auf, um später im Museumssaal in der Klangarbeit Stille Wasser die Geräusche fein aufeinander abstimmen zu können; dabei ist mit „Stille“ ist keineswegs „Lautlosigkeit“ gemeint, sondern eine Vielfalt murmelnder Wassergeräusche.
Eine meist überhörte Besonderheit des Stadtraums fließt so in meine Installation. Vielleicht nehmen die Einheimischen, evtl. auch Touristen, etwas von der Aufmerksamkeit für Wasserklänge mit nach „draußen“ zur Wahrnehmung der städtischen Brunnen Flensburgs.
Auf 24 Sockeln stehen unterschiedlich große schwarze Keramikgefäße. In zehn von ihnen sprudeln „Minibrunnen“ mit flachem Wasserspiegel. In sechs Gefäßen liegt jeweils ein Lautsprecher, der die Aufnahme eines Brunnens – von dreien der Ost- und von dreien der Westseite der Förde – in der Lautstärke der „Minibrunnen“ hörbar werden lässt.
In dem gluckernder Museumssaal, kann man umhergehen und in die kleinen Becken hineinhorchen wie es rieselt, rinnt, perlt, strömt, gluckst, rauscht, rollt oder sprudelt…. Acht Orchideen verwandeln den leisen Raum in einen poetischen Wassergarten.
Stille Wasser
Ortsbezogene Klanginstallation als Wassergarten: 8 Orchideen, 10 Aquarium-Wasserpumpen, Wasser, 6 Lautsprecher, 6 Fließgeräusche von Flensburger Brunnen, 24 schwarze Keramiktöpfe, 24 Holzsockel, Speichermedien/Kabel/Audiotechnik
Klangraum Flensburg Museumsberg Flensburg, 2007
*§. 3. Von den Brunnen und Quellen
Eine ganz vorzügliche Merkwürdigkeit dieser Stadt sind die vielen vortrefflichen Wasserquellen, welche in dem Thale, worin sie liegt, fast allenthalben am Abhange des rund herum höher liegenden Landes entspringen. Ein Geschenk der Natur, womit nur sehr wenige Städte so überflüssig gesegnet sind, und welches vielen großen Städten gänzlich mangelt, welches für die Gesundheit der Einwohner so zuträglich ist, und noch zuträglicher seyn könnte, wenn es von ihnen mehr dazu gebraucht würde, welches zugleich das Mittel ist, wodurch ein beträchtlicher Nahrungszweig der Stadt, die Brau- und Brennereyen, mit mehrerer Bequemlichkeit, zugleich mit größerm Vortheil, und in größerm Umfang, als anderwärts, betrieben werden können; ein so merkwürdiges und wichtiges Geschenk verdient gewiß eine Betrachtung über die Ursachen dieser gewiß seltenen Erscheinung. Von hohen, immer mit Schnee bedeckten Bergen komt dieses viele Wasser nicht her, auch kann die Ursache der Quellen, welche einige Naturkundige angenommen und verworfen haben: daß das Meerwasser unter der Erde herdringe, und innerhalb der Berge in Dünsten in die Höhe steige, sich daselbst wie in einem Destillirkolben samle, und in die Quellen herablaufe, bey uns nicht Statt finden, weil die See in unserer Gegend auf eine weite Strekke nicht tief ist, keinen festen Grund hat, und alle sogenanten Berge nur Sandhügel ohne Höhlen und Rizzen sind, auch in unserer Gegend weit umher keine Spuren eines unterirdischen Feuers entdekt werden, wodurch das Wasser in die Höhe getrieben werden könnte. Die wahre Ursache der am Abhang unsers Thals so häufig hervordringenden Quellen, liegt wol darin: daß die ganze rund herum höher liegende Gegend bekantlich aus Sandfeldern, Torfmooren und anderen Morasten besteht. Die großen Lagen von Sand und Gries, woraus die umherliegenden Felder, wenn nicht bis an die Oberfläche, doch wenigstens nicht sehr tief unter dem Rasen stehen, haben in der Tiefe eine feste Unterlage, welche kein Wasser durchläßt. Daß diese Unterlage aus hartem Gestein bestehen soll, ist nicht erwiesen; aber an einigen Orten könte das sogenane All, eine harte, todte Erde, seyn, wovon man Spuren genug beym Pflügen und Graben findet. An andern Stellen besteht die Unterlage aus festem Leim, wie man an dem ausgegrabenem Ballastberg siehet; hie und da möchte wohl auch Kalkstein im Grunde seyn, weil verschiedenen von unsern Quellen wirklich viel Kalkmaterie mit sich führen, wenn dieses nicht daher rühret, daß an einigen Orten die Sandlagen, wodurch das Wasserdringet, mit Kalk vermengt sind, der vom Wasser aufgelöst wird. Das Wasser nämlich, welches sich in den höher liegenden Torfmooren, Morasten und Teichen, die einen sandigen Boden haben, durch Schnee, Regen und ordentlichen Zufluß samlet, dringet auf eine gewisse Tiefe; nämlich bis auf die feste Unterlage, in den Sand und Griesgrund ein, und muß, seiner Natur nach, in einem solchen Thale, wie das unsrige ist, wo alle Erdlagen gleichsam durchschnitten sind, in Quellen hervorbrechen. Das Wasser, welches solchergestalt durch den Sand dringt, wird dadurch filtrirt und gereinigt, aber es wird auch, wenn in dem Sande Kalkpartikel enthalten sind, wie man nent, h a r t. Es ist daher eine natürliche Regel, welche durch die Erfahrung bestätigt wird, daß man Quellen an dem Abhange suchen müsse; wer auf einer Höhe gräbt, erhält kein Springwasser, ohne es erst tiefer zu leiten. An vielen Stellen unserer Gegend besteht die oberste Erdlage aus Leimen. Wer an solchen Stellen einen Brunnen haben will, muß schlechterdings die Lage von Leimen, sie mag mehr oder weniger tief gehen, durchgraben lassen, bis er auf Sand komt, sonst wird er kein Brunnenwasser finden; träfe er nun eine Stelle, wo unter der Erdlage, die aus Sand und Gries besteht, kein wasserdichter Grund in der Tiefe befindlich wäre, so ist eine Bemühung gänzlich umsonst; denn das Wasser sinkt durch den Sand so tief es kan. Aber solcher Stellen möchten wol in unserer Gegend nur wenige oder gar keine seyn; denn wo das im Sande befindliche Wasser den geringsten Durchgang nach der Tiefe fände, da würde es sich almählig von der Oberfläche verlieren, und wir hätten keine Quellen mehr. Wo Erdfälle oder Thäler sind, die keine Quellen geben, da kann man demnach mit ziemlicher Sicherheit voraussezzen, daß der Sandgrund sich auf eine sehr beträchtliche Tiefe erstrekken müsse, und es würde verlorne Mühe seyn, wenn man daselbst nach Leimen graben wollte.
Die vielen klaren Quellen sameln sich unter den der Stadt umgebenen Anhöhen; diese Quellen sind zu allen Jahreszeiten wasserreich genug, und werden durch die Stadt geleitet. In den Gassen der Stadt befinden sich nicht nur 30 laufende Brunnen, sondern auch die mehresten Häuser haben in den Höfen Springwasser.
Aus: Peter Rivesell, Versuch einer Beschreibung der Stadt Flensburg, Bd. 1, Altona 1817,
5ter Abschnitt. Angenehme Lage der Stadt. Topographische Beschreibung der Straßen und öffentlichen Pläzze. Von den Brunnen und Quellen. Seite 360 – 363