Im Rahmen einer Artist Residency verbringe ich den Sommer 2019 auf Island, der Vulkaninsel der einsamen Landschaften und des ewigen Eises, nur etwas südlich des Polarkreises. Bis Mitternacht wird es nicht dunkel, aber das Licht wird fahl und bleiern.
Mich fasziniert besonders der breite Graben, in dem die Amerikanische und die Europäische Kontinentalplatte immer weiter (im Jahr ca. 2 cm) auseinanderdriften. Die unvorstellbaren Kräfte könnten vielleicht mit enormen technischem Aufwand aufgenommen werden…
Im Atelier nähere ich mich bildkünstlerisch der zerklüfteten Landschaft zunächst mit schwarzer Farbe auf Büttenpapier. Monochrome Fotodrucke auf gebürstetem Aluminium machen auch die bleierne Atmosphäre sichtbar.
An den langen Tagen des Shutdowns 2020/21 erkunde ich u.a. den Klang von reißendem Papier und Karton. Ich habe viel Zeit, Reißen zu üben, um gezielt Fragmente bereitzustellen, aus denen ich später schroffe Landschaften lege und collagiere, sowie um üppiges Audiomaterial für meine geplanten Klanginstallationen vorzubereiten. Ich dehne und transponiere es in tiefere Oktavlagen, bis die ursprünglich schneidend-helle Geräusche grollen.
Erst nach einem weiteren Jahr kann ich die einzelnen Komponenten in einer Raum-Klang-Installation ausstellen, die ebenfalls dunkle Getränke einschließt. Um neue Wahrnehmungsmöglichkeiten zu erkunden, sind Getränke, die üblicherweise zur Eröffnung als gastfreundliche Beigabe angeboten werden, die Basis meiner dreiteiligen Ausstellungsreihe, „Dunkle Bilder, dunkle Klänge, dunkle Getränke“, bei der ausnahmslos dunkle Getränke bereitgestellt werden: Wir lieben heißen Kaffee, der sein individuelles Aroma und die braune Farbe erst während der Röstung erhält, bei welcher der Fruchtzucker karamellisiert. Stark gekühlt getrunken wird hingegen das obergärige schwarze Bier „Stout“. Kohlensäurehaltig, dunkel und süß sind Malzbier sowie Cola-Getränke, tief violettrot und herbe sind dagegen u.a. Holunderbeersaft (Sambucus nigra) und mancher Rotwein. Da die dunklen Getränke im Geschmack und Charakter höchst unterschiedlich sind, müssten sie die Rezeption von dunklen Bildern und Klängen beeinflussen – oder sogar steigern?
Dunkle Bilder, dunkle Klänge, dunkle Getränke II.
Raum-Klang-Installation, Lautsprecher, 5-Kanal Audio, Sockel, Speichermedien/Kabel/Audiotechnik
„Felswand“, Acrylfarbe auf Bütten, Serie zu 4 x 60 x 40 cm; „Þingvellir I – III“, monochromer Fotoprint, Alu-Dibond (gebürstet),60,2 x 40,2 cm und 20 x 30 cm; „Dunkler Klang“, monochromer Fotoprint,Alu-Dibond (gebürstet), 20 x 30 cm; „Landschaften bei Þingvellir“, Collage, Karton, 100 x 70 cm
Thermoskanne mit heißem Kaffee, Tassen, Untertassen, brauner Zucker; zwei Karaffen mit herben Rotwein und Holunderbeerensaft, weitere heiße, kalte, süße, herbe, evtl. kohlensäure- oder alkoholhaltige dunkle Getränke (Traubensaft, Cola, Guinness, Malzbier), Gläser
Dunkle Bilder, dunkle Klänge, dunkle Getränke II., Strobreden, Hamburg, 2023
