Anadyomene

Zwei runde Formen und darunter ein Dreieck. Ich reduziere die Frau formal auf das, was sie äußerlich vom Mann unterscheidet. Doch die charakteristischen Geschlechtsmerkmale werden hier von Lautsprechern repräsentiert. Man hört Waschmaschinengeräusche: Wassereinlauf, Waschen, Pumpen, mehrfaches Spülen, Pumpen, Schleudern…

Für ein Forum* zum Thema „Frauen und Politik“ im Schleswig-Holsteinischen Landtag möchte man etwas „Anschauungsmaterial“ zeigen und lädt 21 Künstlerinnen aus Schleswig-Holstein und Berlin ein.

Meine Darstellung der schaumgeborenen, dem Meer entstiegenen Göttin handelt unüberhörbar profan von Seifenschaum und Hausarbeit.


Anadyomene
Drei Lautsprecher, Holz, mit Graphit gefärbter Filz, 3-kanalige Klangkunstkomposition aus Waschmaschinengeräuschen, Speichermedien/Kabel/Audiotechnik

Bilder, Objekte, Installationen Landeshaus Kiel, 1989


*„Die Lebensverhältnisse und Einflußmöglichkeiten von Frauen in der Bundesrepublik Deutschland sind schlechter als anderwärts. Eine von der EG-Kommission in Auftrag gegebene Umfrage im Jahre 1987 erbrachte das Ergebnis, wonach die Männer in der Bundesrepublik die konservativste Haltung und Einstellung unter allen EG-Ländern haben: 58% der befragten Männer wollen, daß ihre Frauen zu Hause bleiben und nicht arbeiten. Ein Prozentsatz von über 50% zu dieser Fragestellung wurde nur noch in Irland und Luxemburg erreicht. Entsprechend liegt die Erwerbsquote der Frauen in der Bundesrepublik mit unter 39% unter dem Durchschnitt der vergleichbaren Staaten, in Schweden bei 48 % und in Finnland bei 49%.

Bei diesen Zahlen wundert es nicht, daß Armut im Alter in der Bundesrepublik vor allem die Armut von Frauen ist.

Eine Ursache für die geringe Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt sind die schlechten Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Nach wie vor empfinden sich Frauen als Hauptverantwortliche – wenn nicht gar als Alleinzuständige – wenn es um Fragen der Versorgung, Pflege und Erziehung der Kinder geht. Bezüglich der infrastrukturellen Versorgung bildet die Bundesrepublik das Schlußlicht in Europa. Kindergärten, die sich in den Öffnungszeiten an die Arbeitszeiten von Frauen und Männern orientieren, sind in der Bundesrepublik Mangelware. Die Schulzeiten, insbesondere in der Grundschule, sind sehr unregelmäßig, so daß Mütter von Schulkindern große Schwierigkeiten haben, sofern sie einer außerhäuslichen Tätigkeit nachgehen wollen. Männer betrachten diese Probleme nach wie vor als Frauensache, die sie nichts angeht.

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Vorangetrieben wird die Gleichstellung der Geschlechter aber vor allem durch ein auch von Männern getragenes Bewußtsein über die Probleme von Frauen in ihrem Alltagsleben und die Überzeugung, diese Probleme mit der notwendigen Dringlichkeit im politischen Raum anzugehen…“

Aus: Liane Paulina-Mürl, Frauen und Politik, in: Frauen und Politik, Entwicklungen, Barrieren und Strategien in der Bundesrepublik Deutschland und in den skandinavischen Ländern, hg. v. d. Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Landtags, Landtagsforum 1989, Eckernförde, 1989, S. 8-9