Farbnotationen

Geometrische Grundformen und die Verwendung u.a. von Filz und Holz als Farbträger führen später zu meinen objekthaften Gestaltungen.

Bei den „Dreiecksbeziehungen“(1989, Ölfarbe auf gleichseitigen Holzdreiecken, Seitenlänge 46 cm, 21 Dreiecke bilden zusammengesetzt ein gleichseitiges Dreieck, Seitenlänge 276 cm) ist es mir ein Anliegen, dass das jeweils aus großen Terzbeziehungen gebildete Dreieck hörbar wird. In ein imaginäres Quadrat eingeschrieben, kann man zeilenweise – mit entsprechenden Pausen nach bzw. vor der nächsten Zeile – nicht nur jedes kleine, sondern evtl. auch das zusammengesetzte Dreieck hören.

Zu meinen konzentrischen Endloskompositionen (1986-89, Acrylfarbe auf Filz, Ø 200 cm) schreibt Thomas Hoppe: „Für die Arbeiten auf Filz verwendet sie [KK] eine steifere, kräftige und etwas füllige Qualität, die aus zwei Filzlagen besteht. Während hierbei die dünnere Lage nur unbunte Fasern enthält und relativ gleichmäßig grau meliert ist, enthält die dickere Schicht zusammengepresste gröbere und vielfach farbige Fasern, „ so dass ein farbiges Grau entsteht“. Katja Kölle verwendet bei allen konzentrischen Kompositionen und Kanons die Seite mit dem farbigen Filzgrau, „weil die quadratischen Farbfelder nicht fremd auf dem Malgrund stehen, sondern in das gedämpfte Farbgespinst einbezogen sind,“ bei anderen Filzarbeiten [z.B. Klangschleifen 1994/95] verwendet sie jedoch die unbunte Seite.

Die quadratischen Felder wurden zuerst mit Stiften in den kompositorisch vorbestimmten Buntfarben auf Filz vorgezeichnet. So entsteht später eine fein vermittelnde Zone zwischen Maluntergrund und Farbfeld. Danach folgte eine Grundierung mit weißer Acrylfarbe, und später wird das Farbfeld mit hochgesättigter Acrylfarbe ein- bis zweimal bemalt, bis „die Farben weich und höchst energetisch aus dem Filzgrund leuchten“. …Die eigens von ihr festgelegten Zuordnungen von Farbe und Ton basieren auf den Tönen in der Abfolge des Quintenzirkels, bei denen die spektralen Farben in einem von ihr gewichteten Farbkreis wiedergegeben werden. Dabei weist jede Farbe eines Farbfeldes auf einen bestimmten Ton bzw. Tonqualität, wobei die Bildkomposition jeweils und zwar gleichzeitig die Komposition abbildet (Farbnotation). … So ordnet sich hier eine von ihr bestimmte Farb-Ton-Folge in quadratischen Flächen zu konzentrischen Kreisen auf dem Filzgrund an. „Die fünf Kreise bilden einen fünfstimmigen Proportionskanon“.“ *

Die Farbnotation „Durchdringungen“ 1987/88, Acrylfarbe auf Leinwand, 180 x 340 cm, ist flächenfüllend aus Quadraten bzw. kleinen Terzbeziehungen gebildet. Eine Leserichtung und Leseweise ist nicht vorgegeben. Während der Frühjahrstagung Musikszene heute vom Institut für Neue Musik in Darmstadt kann man an jedem Tag eine andere Leserichtung, Leseweise und klangliche Computerumsetzung anhören. Die am letzten Tag präsentierte Variation ist rein perkussiv, da ich sie mit dem Rauschgenerator gestaltetet habe. Diether de la Motte tanzt und steppt vor der Notation.


True Colours Museumsberg Flensburg, 2021
Farbnotationen – Klanginstallationen Stadtgalerie Kiel, 1992
Farbnotationen – Klanginstallationen Kunstverein Flensburg, 1991
Frauenkultur in Schleswig-Holstein Akademie Sankelmark, 1989
Musikszene heute Institut für Neue Musik, Darmstadt, 1988


*Aus: Thomas Hoppe, Acrylmalerei. Die künstlerischen Techniken, Leipzig, 2000, S. 210-211

Unter dem Thema „Systematische Verknüpfungen bildnerischer und musikalischer Elemente nach selbstentwickelten Kompositionsprinzipien“ reflektiere ich 1985 den Prozess meiner frühen Arbeiten mit Farben und Tönen.

„E) Notenschrift und Notationen

In der Notation sollen musikalische Verläufe prägnant in eine zweidimensionale-räumliche Form übersetzt werden. Notation ist mehr als ein bloßes Hilfsmittel; abgesehen von ihrem graphischen Reiz, der visuell-bildnerischen Eigenwert besitzt, „…beeinflussen die technischen Möglichkeiten einer Notation aber auch den Kompositionsakt, ja das gesamte musikalische Denken aller Musiker, so daß klangliche und bildliche Seinsweisen eines Musikwerks in jeder Epoche charakteristisch verbunden bleiben.“ *¹ Musik und Notation stehen in Wechselbeziehung zueinander. Die Art und Anzahl der Zeichen ist von der Komplexität der Komposition und der Aufführungspraxis abhängig…

2. Notation

….. Das traditionelle Schema, bei dem die Notation lediglich Vermittlerfunktion hat – „Akustische Vorstellung (Komposition) → Aufzeichnung (Notation) → Akustischer Vorgang (Interpretation)“ *² ist verlassen. Kompositionsverfahren und Notationsformen sind identisch. „ Häufig zeigt sich in der Musik des 20. Jahrhunderts der Einfall von der Gestalt weg in den Materialbereich verlagert: Nicht Melodien fallen dem Komponisten ein, sondern Bauelemente und Möglichkeiten des Bauens mit ihnen.“ *³ Der Materialbereich schließt bei mir sowohl den optischen als auch den musikalisch akustischen ein…

3. Aktion

Versteht man meine „Farbigen Notationen“ als Kommunikationsmittel zur akustischen Umsetzung, so findet man zu der adäquaten Form der Deutung, welche die Bilder nicht sprachlich, sondern musikalisch interpretiert. Der „ideale Rezipient“ wird zum „Produzenten“, ja zum „Ko-Komponisten“, in dem er nicht nur auf einen bestimmten Zeichenvorrat musikalisch reagiert, sondern darüber hinaus über „freistellen“ in der Notation eigenmächtig entscheiden muß; er entwickelt die musikalischen Gedanken und Beziehungen weiter...

4. Reflexion

… Um auf meine eigenen Bilder zurückzukommen: Die Zeit in meinen Bildern kann unterschiedlich wahrgenommen werden. Zunächst sind alle Farbflächen gleichzeitig im Bild. Indem man Beziehungen aufsucht, vielleicht sogar einer Leserichtung folgt, werden einzelne Formelemente in der Zeitlichkeit nacheinander wahrgenommen. Die potentielle Zeit der Bilder als Notation gedeutet wird zu realer Zeit in der musikalischen Umsetzung, die zweidimensional-räumlichen Beziehungen in zeitlich-musikalische Beziehung übersetzt. Raum und Zeit werden identisch…“

Aus: Katja Kölle, Systematische Verknüpfungen bildnerischer und musikalischer Elemente nach selbstentwickelten Kompositionsprinzipien, Hamburg 1985, mschr. Manuskript, *1 S. 48 – 64

Darin als Zitate:

*1 Aus: Karkoschka, Erhard: Das Schriftbild der Neuen Musik, Celle, 1966, S.1

*2 Aus: Kagel, Mauricio: Komposition – Notation – Interpretation, in: Darmstädter Beiträge zur Neuen Musik IX: Notation Neuer Musik, hrsg. Von Ernst Thomas, Mainz, 1965, S. 59

*3 Aus: Motte, Diether de la: Harmonielehre, 3. Auflage, Kassel, 1980, S. 274