K L A N G N E T Z Schleswig-Holstein

Flensburg Klanglinie – Windspiele

Der Uferweg, der um die Hafenspitze führt, wird von hohen Lampen gesäumt. Von mir aufgehängte Karabinerhaken, Holzperlen etc., die je nach Laune des Windes sanft oder ruppig bewegt werden, funktionieren die Lampen zu Klangkörpern um. Sie markieren den Übergang von der stillen Tonlandschaft des Wassers und der Boote zur Tonlandschaft der Stadt, in der je nach Tageszeit und Ampelphase Autos brausen.

Flensburg Kleinlaut

Nur 13 Sekunden dauert die Fahrt mit dem Außenaufzug der Stadtbücherei, dann kann man den oberen Lesesaal betreten – oder über den ZOB bis zur Hafenspitze schauen. Viele kleine Kopfhörer baumeln oben vor den Fenstern und zwitschern laut.

Schleswig Untertöne

In der südlichen Altstadt, wo Schleswig am lieblichsten ist, gibt es zwei völlig mit Efeu überwachsene Gebäude. Neben ihren braven, stets frischgestrichenen Nachbarkaten sehen die immergrünen Efeuhäuser märchenhaft und geheimnisvoll aus. Sie wogen und rascheln zart. Vormittags kann man im Efeu das Raunen und Klappern der Installation Untertöne vielleicht eher ahnen als hören.

Schleswig Stimmen – Laute. Aus dem in die Straße ragenden, dichten grünen Giebel dringen leise Stimmen – Laute. Nachmittags, wenn die Sonne auf die Häuser scheint, summen die Wildbienen tief im Efeu der beiden Häuser.

Lübeck Chroma

Im Süden der Lübecker Altstadtinsel, unweit des Doms, steht die katholische Propsteikirche „Herz Jesu“, die 1891 erbaut wurde. Tiefrot glimmen die hohen, schmalen Fenster im Chor und spenden ein warmes, weiches Licht, das mit der schlichten Ausstattung der Kirche eine ruhige, die Konzentration fördernde Stimmung erzeugt. Mit Chroma verfärbe ich nur leicht das Eigenrauschen des Kirchenraumes.

Lübeck Widerhall

St. Aegidien, die kleinste der fünf alten Lübecker Kirchen, wurde im Krieg nicht zerstört, so dass u.a. die gotischen Wandmalereien, der Singechor aus der Renaissance und der barocke Altar erhalten sind. Die Installation Widerhall ist eine konzeptuelle Geräuschmesse* zur 775-Jahrfeier.

Husum Hochtöner

Der Binnenhafen reicht bis ins Stadtzentrum und prägt das Stadtbild mit seinen engen Gassen und bunten Giebel- und alten Patrizierhäusern.

1989 wurde von dem Architekten Bernhard Winking auf den Resten der ehemaligen Werft ein großes, postmodernes Rathaus errichtet. Das in drei Teile gegliederte Gebäude öffnet sich zum Hafen. Hochtöner Ein auditiver Fries schallt vom obersten Geschoss des Nordflügels. Aus vier darunter liegenden Fenstern werden Stadtklänge aus Flensburg, Schleswig, Kiel und Lübeck in minutenlangen Sequenzen in den „Innenraum im Außenraum“ projiziert.

(In der Videodokumentation werden die Geräusche, die ich auf den Wegen vom Bahnhof in die jeweilige Innenstadt bzw. in den Fußgängerzonen aufgenommen habe, mit der Husumer Klangkulisse so vermischt, dass von der Installation Hochtönernur Reste des Audio-Frieses leicht identifizierbar sind.)

Kiel Hörbüchlein

In das Hörbüchlein kann immer nur eine Person hineinhorchen. Das kleinformatige Buch enthält nur leise Klangkapitel, so dass man sein Ohr fest auf den Einband pressen muss, um etwas zu vernehmen.

„Wie klingt eigentlich Schleswig-Holstein? Gibt es in einer hoch entwickelten, weltweit vernetzten Medienwelt überhaupt regionale Klangdifferenzen? Worin unterscheiden sich Flensburg oder Kiel akustisch – im Gegensatz zu Lübeck?

Ist unsere Wahrnehmung noch sensibel genug, um derartige Unterschiede zu erfassen?

Die Mediengesellschaft wirbt in der Regel nach dem Prinzip „lauter-schneller-markanter“ um unsere Aufmerksamkeit. Raum für Zwischentöne bleibt selten. Gerade diese Feinheiten ruft uns Katja Kölle wieder ins Gedächtnis. Ihre klangliche Auseinandersetzung mit dem Thema Glas zum Beispiel macht das Material mit seinen Besonderheiten spürbar und zugleich den Werkprozess der Glasherstellung hörbar. Auch Katja Kölles Spaziergänge durch einzelne Städte in Schleswig-Holstein fordern alle Sinne heraus. Töne, akustische Momentaufnahmen werden zu einem Klangbild montiert, das keineswegs nur auf das Hören abzielt. „Augenmerk“ und „Ohrenmerk“ rufen Bilder hervor und Erinnerungen an Eindrücke, an Stimmungen, an Gefühle….“ (Ute Erdsiek-Rave, Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein, in : Katja Kölle. KLANGNETZ Schleswig-Holstein, Programmheft, hg. v. Stadtgalerie Kiel, Flensburg, 2002)

Das zunächst museumsübergreifende Projekt dehnt sich in den öffentlichen Raum aus und vernetzt die fünf größten Städte Schleswig-Holsteins. Zu den klangkünstlerischen Herausforderungen kommen nun organisatorische hinzu. Da das KLANGNETZ viel Zustimmung erfährt, erhalte ich jeweils Genehmigungen, so dass das Projekt auf neun Installationsstätte ausdehnt und ich gewöhnliche und ungewöhnliche Stadtklänge aufnehmen kann. Die vielfache künstlerische Vernetzung des Materials bietet individuelle Möglichkeiten, besondere „Hörorte“ auf Zeit zu entwickeln.


K L A N G N E T Z Schleswig-Holstein
9 aufeinander bezogene Klanginstallationen im öffentlichen Raum und in öffentlichen Gebäuden
in Flensburg (Hafenweg und Stadtbücherei) Schleswig (zwei Privathäuser/Straßenraum), Husum (Rathaushof), Lübeck (Propsteikirche „Herz Jesu“ und St. Aegidien) Kiel (Stadtbücherei und Stadtgalerie), Windspiele, zahlreiche Klangkunstkompositionen, zahlreiche unterschiedliche Lautsprecher, Speichermedien/Kabel/Audiotechnik, 2002