Knut Nievers, Stadtgalerie Kiel

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich heiße Sie willkommen zur Eröffnung zweier Klangarbeiten von Katja Kölle, dem „Parcours“ aus hundert Enten hier im Forum der Stadtgalerie und dem „Hörbüchlein“, das ab kommendem Montag ein Stockwerk höher in der Stadtbücherei stehen wird, aber heute Abend ebenfalls hier im Forum sich hörbar macht. Beide Klangarbeiten sind Bestandteile des Projektes „Klangnetz Schleswig-Holstein“, das die in Viersen, unweit von Düsseldorf, lebende Künstlerin Katja Kölle erfunden und realisiert hat.

Sie, Frau Kölle heiße ich heute Abend besonders herzlich willkommen, ebenso wie Ihre Familie, die mitgekommen ist, Vater, Bruder, Ehemann, die Sie auch bei der Realisierung Ihres Projektes unterstützt haben.

Finanziell getragen wird das Projekt von der KomTel Flensburg, als deren Vertreter ich Herrn Hertrampf begrüßen darf.

Und als weiteren Gast möchte ich persönlich willkommen heißen Herrn Ulrich Gebauer vom „TanzOrtNord“, der nachher mit den Enten tänzerisch interagieren wird.

Was ist das KLANGNETZ Schleswig-Holstein?

In dem kleinen Heft, das Katja Kölle zu dem Projekt herausgegeben hat und das Sie übrigens für 2 Euro käuflich erwerben können, wovon Sie hoffentlich reichlich Gebrauch machen, gibt die Künstlerin folgende Antwort – ich zitiere:

„Klänge, Töne, Geräusche, die ich in den letzten Jahren in Flensburg, Schleswig, Husum, Kiel und Lübeck aufgenommen habe, werden in meinen Klanginstallationen im öffentlichen Raum oder in öffentlichen Gebäuden der fünf Städte wieder hörbar gemacht. Nicht alle Klänge wird man leicht identifizieren können, denn die Fragmente wurden von mir verändert (isoliert, reduziert, extrahiert, radikalisiert, transponiert, kombiniert, collagiert, addiert, summiert etcetera) und erscheinen in jeder Installation verwandelt; manche umspielen die Wahrnehmungsschwelle. Doch Hören allein ist zu wenig, denn ich habe ähnliche oder gegensätzliche Situationen zueinander in Beziehung gesetzt, die nur ganzheitlich wahrgenommen werden können.“ Soweit Katja Kölle.

Gestartet ist das Projekt am 20. August an seinem nördlichsten Punkt – Flensburg – mit zwei Installationen. „Klanglinie – Windspiele“ funktioniert die Lampen am Uferweg der Hafenspitze zu Klangkörpern um, die des Windes als Mitspieler bedürfen. „Kleinlaut“ tönt im Außenaufzug der Flensburger Stadtbücherei. 12 Sekunden lang hört der Benutzer ein Zischeln und Zwitschern aus kleinen verborgenen Kopfhörern.

„Untertöne“ und „Stimmen – Laute“ heißen zwei Installationen in Schleswigs Altstadt. Hier raunt es und bienensummt es märchenhaft aus dem Efeu zweier unter dem Bewuchs fast verschwindender Häuser.

Am südlichsten Ort, in Lübeck, sind zwei Kirchen Befestigungspunkte des Klangnetzes. In der katholischen Propsteikirche Herz Jesu verbindet die Arbeit „Chroma“ das nur leicht verfärbte Eigenrauschen des Kirchenraumes mit seinem Licht und seiner kontemplativen Stimmung. Die Arbeit für das im Krieg nicht zerstörte St. Aegidien mit gotischen Wandmalereien nennt Katja Kölle eine konzeptuelle Geräuschmesse zur 775-Jahrfeier.

„Hochtöner“ heißt die Klanginstallation am postmodernen Rathaus-Neubau am Binnenhafen. Die Künstlerin beschreibt ihre Arbeit dort so: „Eine Art auditiver Fries‘ schallt vom mittleren Geschoss des Nordflügels. Stadtklänge aus Flensburg, Schleswig, Kiel und Lübeck werden dazu in minutenlangen Sequenzen in den Innenraum im Außenraum‘ projiziert.

Am fünften Ort, stehen wir heute Abend mit den beiden Arbeiten, die sich Katja Kölle für die Landeshauptstadt ausgedacht hat, gegenwärtig und hörbereit mitten im „KLANGNETZ Schleswig Holstein. Das „Hörbüchlein“, das seinen beziehungsreichen Ort oben in unserer zentralen Stadtbücherei finden wird, ist insofern ein zentrales Stück des Klangnetzes, als es alle Städte miteinander vernetzt, und nur in diesem Büchlein können Sie, meine Damen und Herren, die Stadtklänge unverfremdet hören, wie ich heute die Kieler Nachrichten raunen hörte. Wie es sich für eine Bibliothek gehört, flüstert das Büchlein nur, damit niemand gestört wird. Wir müssen unser Ohr ihm neigen, damit wir hören können, was es uns zu erzählen hat.

In heftigem Kontrast dazu steht die Arbeit der Künstlerin für die Stadtgalerie. Sie besteht aus einhundert Enten, die dank eines in sie implantierten Bewegungsmelders zu schnattern beginnen, sobald wir uns ihnen aus bestimmter Richtung nähern, hier aus fast allen denkbaren Richtungen. So schnattern sie durcheinander, wie in diesem Forumsraum unser Publikum bei Ausstellungseröffnungen oder Veranstaltungspausen und sind doch nicht ganz undiszipliniert, denn sie ordnen sich zu Buchstaben und zu dem Wort K L A N G N E T Z. Solche Formationen kennen wir sonst von großen Sportveranstaltungen. An diesem Ort darf das eher stille Klangnetz laut werden, und ich bin Katja Kölle sehr dankbar, dass sie – wie sie selbst bekennt – der Stadtgalerie die frechste Arbeit ihres Projektes gewidmet hat.

Das KLANGNETZ hat außer der räumlichen Dimension insgesamt auch eine zeitliche. Es hat ja bereits am 20. August in Flensburg begonnen, und es endet am 6. Oktober. In einem Überschneidungszeitraum vom 6. bis zum 19. September sind alle Orte über die Installationen mit einander vernetzt, ist Schleswig-Holstein mit einem Klangnetz überzogen. Danach verklingen die Installationen eine nach der anderen. Für den sechsten Oktober hat Katja Kölle schließlich auch die Auflösung des Namens des Klangkunstprojektes vorgesehen. Dann wird sie hier in der Stadtgalerie die Enten verschenken und Schleswig-Holstein klingt nicht mehr, was ja nicht heißt, dass es hier still wird.

Meine Damen und Herren, meine erste Begegnung mit Katja Kölle, zu der Zeit als die Künstlerin noch in Flensburg lebte, hat 1992 zu einer großen Einzelausstellung geführt, die das Städtische Museum Flensburg und die Stadtgalerie in Kooperation organisiert haben. Die Ausstellung trug den Titel „Farbnotationen – Klanginstallationen“ und sprach gleichermaßen das Auge und das Ohr des Betrachters an. Katja Kölle hatte in einer Reihe von malerischen Arbeiten und Installationen Interdependenzen von Klangfarben und Farbklängen untersucht. Neben dem konzeptuellen Aspekt der Arbeiten spielte ihre sinnliche Präsenz eine entscheidende Rolle. Malerei und Klang/Musik steigerten sich wechselseitig in synästhetischem Zusammenspiel. Trotz einer gewissen Leichtigkeit und Heiterkeit stand hinter der Ausstellung ein striktes Konzept, das die Konturen der beiden unterschiedlichen Medien nicht verwischte und die Eigenwertigkeiten nicht vermischte, wie das leider oft bei Klanginstallationen passiert.

Das „KLANGNETZ Schleswig-Holstein“ ist – wenn ich das richtig sehe – für die weitere künstlerische Entwicklung von Katja Kölle insofern typisch, als dass der räumliche und zeitliche Zusammenhang von Klang und Ort eine zunehmende Rolle spielt. Neu am KLANGNETZ sind die Dimensionen, in denen Katja Kölle solche Zusammenhänge entfaltet. Im Klangnetzprojekt werden Klänge, Töne und Geräusche nicht nur ihrem realen, natürlichen Zusammenhang entrissen, sondern dem Ort – allerdings verwandelt – wieder zurückgegeben. Dazu sind komplexe Bearbeitungsverfahren notwendig, die die Aufmerksamkeit gleichzeitig auf die Klänge und auf Charaktere des Ortes richten. In den Installationen sind die Klänge zugleich fremd und heimisch, heimisch vielleicht gerade durch die Fremdheit. Das bedeutet, dass diesen Arbeiten ein mimetisches Moment zukommt, wobei – und das scheint mir besonders wichtig zu sein – die Arbeiten die Orte nicht illustrieren. Insofern fügen sie den Orten eigentlich auch nichts hinzu, was ihnen nicht ohnehin schon gehört oder was zu ihnen gehört. Oder vielleicht muss ich es so sagen. Es entstehen überhaupt erst Klangorte aus dem, was vorher Lokalitäten waren.

Katja Kölle hat Schleswig-Holstein ein riesiges Geschenk gemacht, wofür ich ihr sehr herzlich danken möchte. Erste Gespräche über das Projekt habe ich mit der Künstlerin vor mehr als zwei Jahren geführt. Dass Katja Kölle nie aufgegeben hat, ist eine große Leistung, auch organisatorisch, aber das darf die künstlerische Leistung nicht verdecken. Unterstützt wurde die Künstlerin durch
das Kulturbüro Flensburg
den Fachbereich Kultur und das Stadtmuseum Schleswig
den Museumsverbund Nordfriesland der Stiftung Nordfriesland und die Stadt Husum
die Aegidienkirche des evangelischen Kirchenkreises Lübeck und die katholische Propsteikirche Herz Jesu Lübeck
und die Stadt Kiel.
Die KomTel GmbH Flensburg hat das Projekt durch großzügige finanzielle Förderung ermöglicht.

Allen darf ich – auch im Namen von Frau Kölle herzlich danken. Für Katja Kölle ist die Arbeit am Klangnetz noch nicht beendet. Sie erstellt eine CD ROM, die das Projekt dokumentiert, so dass wir es uns dann in Erinnerung rufen können.

Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend und räume nun demjenigen das Feld, der mit den Enten tanzt, Ulrich Gebauer.