Katja Kölle
Licht – Klang – Duft.
Immaterielle Installationen

Im Rahmen einer Projektförderung „Kunst im öffentlichen Raum“ des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein und des Kunstvereins Flensburg erhielt ich im Herbst letzten Jahres die Gelegenheit, mich künstlerisch mit den Städtischen Strukturen Flensburgs zu beschäftigen.

Flensburg, die nördlichste Stadt in Deutschland, wirkt mit 85.000 Einwohnern noch wie eine überschaubare Kleinstadt, die jedoch als drittgrößte Stadt Schleswig-Holsteins, nach Kiel und Lübeck, eine vergleichsweise hohe kulturelle Bedeutung für die Region hat.

Landschaftlich geprägt durch glaziale Verwerfungen mit Förde, bietet die Hafenstadt, die während des Krieges von Zerstörungen beinahe ganz verschont blieb, ein vielfältiges Stadtbild. Häuser aller Stilepochen lassen die Stadtentwicklung nachvollziehbar werden.

Für meine Installationen wählte ich drei Orte in städtebaulich homogenen Bereichen aus, die zusammen ein dreiseitiges Dreieck bilden, das den alten Stadtkern fast umschließt.

LICHT

Am Ostufer der Förde, an dem traditionell die Fischer siedelten, bauten Kapitäne im 18. Jahrhundert ihre Ruhesitze in der St.-Jürgen-Straße. Die meist kleinen traufständigen Häuser mit schlichten symmetrischen Gliederungen sind noch heute gut erhalten, so daß die Straße ihren Charakter weitgehend bewahrt hat. In diese Idylle projizierte ich in den Abendstunden eigens für diesen Ort von mir gestaltete, kontrastreiche farbige Lichtstreifen auf Hauswände und Straßenpflaster. Von nahem gesehen verschmolz das Farblicht mit den unterschiedlichen Oberflächen, so daß sie farbig bemalt oder selbst zu leuchten schienen. Aus einiger Entfernung wirkten die Farbstreifen dagegen raumbildend und erzeugten einen eigenständigen Farb-Licht-Raum, der sich ästhetisch höchst widersprüchlich zu dem unbunten Umraum der engen, nostalgisch anmutenden Gasse verhielt.

KLANG

An der Toosbüystraße zeigt sich exemplarisch die Tendenz, Flensburg um die Jahrhundertwende durch eine großstädtisch dimensionierte Bebauung auszuweiten. Mit Sandmassen mußte das Tal des Baches Glimbek aufgefüllt werden, bevor die fünfgeschossigen, spätgründerzeitlichen Zinshäuser der Toosbüystraße errichtet werden konnten.

Die im unteren Teil recht enge, im oberen Verlauf sich parkartig öffnende Prachtstraße ist eine der wichtigste, nach Westen führenden Verkehrsverbindungen der Stadt. Besonders in der Häuserschlucht des unteren Abschnittes wird der Schall der Fahrzeuge vielfach reflektiert, so daß schon wenige Autos einen tosenden Lärm verursachen. Dort installierte ich auf Balkonen Lautsprecher, mit denen ich zur Hauptverkehrszeit „Bachgeplätscher“ übertrug, das sich in das an- und abschwellende Brausen des Fahrzeugstroms mischte, bisweilen von ihm übertönt wurde und erst, wenn es wieder etwas stiller wurde, weitergluckerte.

Die nun unterirdisch fließende Glimbek war quasi zu hören. Die akustischen Bedingungen ließen das leise Geräusch im gesamten Stadtraum vernehmen, ohne daß man es orten konnte. Das vermeintliche Fehlen einer Schallquelle irritierte die Wahrnehmung, so daß man seinen Ohren und Augen nicht trauen konnte. Die sanfte Verfremdung der gewohnten, ärgerlichen Geräuschkulisse steigerte den architektonisch repräsentativen Ort ins Groteske.

DUFT

Der Museumsberg auf der westlichen Höhe ist noch heute von dem englischen Landschaftspark geprägt, den die Kaufmannsfamilie Christiansen um 1820 anlegen ließ. Von den Gartenattraktionen hat sich unter anderem einen unter einem Erdhügel liegende Grotte erhalten. Der von außen mit Feldsteinen derb befestigte Eingang führt nicht etwa, wie erwartet, in eine felsige Höhle, sondern in einen ca. zwölf Quadratmeter großen, oktogonalen Zentralbau mit einer achtseitigen von Gewölberippen getragenen Kuppel. Ein kleines Kuppelfenster erleuchtet den Raum nur schwach mit diffusem Licht. In den spitzbogigen Wand- und Gewölbenischen befinden sich noch dreizehn, im Laufe der Jahre etwas blind und fleckig gewordene Spiegel. Bröckelnder Putz und abblätternde Farbe verstärken die morbide Ausstrahlung der Spiegelgrotte, die sich eine geheimnisvolle Atmosphäre dennoch bewahrt hat.

Ich stelle mir vor, welch überwältigendes Erlebnis es damals für Besucher gewesen sein muß, sich in dem Erdraum, in mitten von kaleidoskopartigen Lichtreflexionen und unendlich vervielfältigenden Speigelungen wiederzufinden. Um dem Raum etwas von seinem, Zauber zurückzugeben, habe ich seinen Geruch mit einer Duftinstallation verändert. Wenn man nun an den schon kühlen Herbsttagen die Spiegelgrotte betrat, war die Luft von heiterem, belebendem südlichen Duft von Orangen erfüllt. Über den Geruchssinn erschloß sich wieder die zeitliche und räumliche Illusion dieses Ortes.

Schien es nur mir so, daß es während der Zeit der Duftinstallation in der Grotte um einige Grad wärmer wurde und die Spiegel wieder an Klarheit gewannen?

Katja Kölle, Licht – Klang – Duft. Immaterielle Installationen in: Positionen, Beiträge zur Neuen Musik, Heft 32, 1997